Faszination rajputische Palastarchitektur

Meine Liebe zu historischen Bauten und märchenhaften Palästen lässt mich die fantastischen Architekturwunder Indiens ganz besonders begreifen. Diese Bauten mit Säulen – gefertigt aus edlen Steinen, Granit und Marmor – zu tasten, zu streicheln, zu umarmen und zu erfühlen, welche mystischen Geschichten sich rund um diese dicken Mauern und Gebäude ranken, erfüllt mich mit tiefer Ehrfurcht und zugleich riesiger Freude. Ich stelle mir vor, wie sich das Leben vor Hunderten von Jahren wohl hier abgespielt haben könnte. Welche Dramen und Liebschaften sich in den Räumen abspielten, was für Storys sich verbergen, was die Mauern wohl gesehen haben. Schmerz, Leidenschaft, Freude und Tod, doch alles stumm für sich behalten. Und wie man auch als Laie unschwer erkennen kann, lehnt sich die Architektur des «Best Exotic Marigold Hotels» sehr stark an der des City Palace in Udaipur an (Rajasthan, Nordwestindien). Man könnte beinahe sagen: Vater und Kind. Der City Palast (Satadtpalsast) in Udaipur ist jedoch viel grösser und pompöser.

Nach rund sieben Stunden Fahrt von Jaipur nach Khempur kamen wir in diesem Märchenpalast an.

Unser Fahrer Unil Khapur hat von unterwegs mindestens zehnmal im «Best Exotic» angerufen. Und nach dem Weg gefragt. Wir fuhren so ins Nirgendwo, dass er nicht daran geglaubt hat, jemals dort anzukommen. Oder in diesem Niemandsland überhaupt ein Dorf vorzufinden, geschweige ein Hotel. Und plötzlich lag es vor uns, am Ende eines schmalen Weges: The real Best Exotic Marigold Hotel.

Begrüsst wurden wir vom Manager und dem guten Geist im Hotel: Mohan. Mohan arbeitet seit 26 Jahren im Palast und ist das «Mädchen für alles». Brauchst du neues Toilettenpapier, ruf laut nach Mohan. Möchtest du, dass dein Bett frisch bezogen wird, sag es Mohan. Er kümmert sich um alles. Und ist der einige Staff im Hoteltrakt! Jawohl. Das Konzept ist so einfach wie genial. Kein Telefon im Zimmer, kein TV, kein Internet – dafür Ruhe so viel man will. Man kann sich bewegen, wie wenn man zu Hause ist. Überall hinsitzen, relaxen, das ganze Hotel erkunden. Hinter der Reception stehen. Oder im famosen Hängesessel im Garten chillen. Gegessen wird in einem anderen Trakt. Dort gibt es eine Chill-Ecke mit Ferseher und draussen – ganz neu – einen riesigen Pool. Es gibt keine Speisekarte. Gegessen wird nach Rajasthani Tradition, hervorragend und überraschend. Das Frühstück ist englisch/europäisch, auch mit hervorragendem Kaffee.

Das Ravla Khempur-Hotel hat nur 12 Zimmer. Aber was für Zimmer!! Es ist auf zwei Etagen, verwinkelt, lauschig, romantisch. Wir konnten uns unser Zimmer vor Ort selber aussuchen. Wir waren die einzigen Gäste zu dieser Zeit.

Mohan hat mich dann gefragt, wann ich beliebe zu duschen. Ewas eigenartige Frage, und ich schaute ihn dementsprechend an. Mohan lachte und die Erklärung folgte wie aus der Pistole geschossen: «Wenn du am Morgen duschst, so werde ich frühmorgens den Ofen einheizen für warmes Wasser. Duschst du abends, kan ich am späten Nachmittag einheizen.» Wow, extra einfeuern für warmes Duschwasser. Und der Ofen ist sehr gross und auf der Rückseite des Hotels, ausserhalb der Mauern befestigt.

Tags darauf bin ich dann morgens vor 6 Uhr aufgestanden und mit meiner Handykamera (Sony Xperia Z1) auf Streifzug durch das «Best Exotic» gezogen. Das Hotel ist so genial. Es war atemberaubend, dem Aufsteigen der Sonne zuzusehen und das Gezwitscher der Hunderten Parrots zu hören. Und dann waren da noch die Schreie der Fasane, Peacock is the national bird of India, der indischen Nationalvögel. Aber das Genialste war, dass Mohan mich begleitete und die Fasane rief, nur für mich, damit ich Fotos von ihnen machen konnte. Sie folgten seinen Rufen und flogen auf das Dach des wunderschönen Tempels, der vis-à-vis des Eingangstors des Hotels steht (im Film heiraten Sony und Sonajna in eben diesem Tempel).

Das Ravla Khempur-Hotel strahlt historisches Ambiente aus inmitten einer atemberaubenden Umgebung. Die hohen Terrassen, offenen Höfe, der weitläufige Garten, Kuppeln, Bögen und überdachte Balkone, und zum Chillen Nischen mit Kissen, all das transportiert einen zurück in die Zeit der Maharadschas und Maharani.

Wir haben da unseren eigenen «Best Exotic»-Film gedreht, mit Mohan, wie er uns begrüsst. Bald hier zu sehen…

Das Hotel ist am Ende einer Sackgasse, die vom Dorf her führt. Das Dorf Khempur entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer Seite des «Ravla» hin. Es besteht aus einem kleinen, zufälligen und attraktiven Cluster von typischen ländlichen Wohnungen, Geschäften und schattigen Plätzen, wo die Dorfbewohner die Angelegenheiten der Welt besprechen – oder den lokalen Klatsch teilen. Für den Besucher ist dies eine Seite Indiens, die ihre eigene Faszination hat; die fröhliche Begrüssung und die natürliche Gastfreundschaft der Dorfleute, die nichts mehr lieben, als ein Gespräch über einer Tasse Tee.

Die Bezeichnung «Ravla» bedeutet in Rajasthan «sich auf die Heimat eines Dorfhäuptlings beziehen». In früheren Zeiten war die «Ravla» der Mittelpunkt des ganzen Dorfes. In der «Ravla» fanden Funktionen wie die Dorfwohlfahrt, die Erhebung von Steuern, die Verwaltung von Recht und Ordnung und die Einleitung von Festivals statt. Und jenseits des Dorfes ist eine Weite mit grünem Ackerland, das sich in Richtung der fernen Berge erstreckt: Eine Landschaft, die uns mit einem herrlich schönen Panorama verwöhnt.

 

Zur Architektur (Auszug aus Wikipedia)

Die Palastarchitektur Rajasthans (Nordwestindien) brachte kompakte, festungsähnliche Mehrstockbauten mit wehrhaften Aussenmauern, bastionsartigen Türmen und grossen Toranlagen hervor. Die Fassaden sind im unteren Bereich in der Regel schmucklos, im oberen Bereich aber durch konsolengestützte Balkone oder Fenstererker (Jharokhas) – meist mit geschwungenen Dächern – und Galerien gegliedert. Kuppelbekrönte Pavillons (Chattris) zieren häufig Dächer und Türme. Die indische Säulen-Architrav-Bauweise wurde um den islamischen Bogen bereichert, wobei Mischformen auftreten, bei denen Zacken- oder Kielbogenlinien am Scheitelpunkt nicht zusammentreffen, sondern konsolartig einen Architrav stützen. Als Schmuckelemente dienen unter anderem Reliefplatten sowie Jali-Gitter in Fenstern und an Balustraden, aber auch Mosaiken und Einlegearbeiten nach mogulischen Vorbildern und, in späterer Zeit, aus Europa eingeführte Buntglasfenster. Zu den herausragendsten Stellvertretern dieses Stils zählen der vom 16. bis 18. Jahrhundert entstandene Stadtpalast von Udaipur, die grösstenteils aus dem 17. Jahrhundert stammende Palastfestung von Amber und der Chandra Mahal in Jaipur aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ein spätes und überdies ungewöhnliches Beispiel aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert stellt der Hawa Mahal («Palast der Winde») in Jaipur dar, der lediglich aus einer von Jharokhas mit Jali-Fenstern gebildeten Fassade besteht.

Über den Hawa Mahal, den wir auch besuchten, ist ausführlicher in einem nachfolgenden Bericht hier, im dasletzteabendmail.ch, zu lesen.